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Wilhelm Abb
von Prof. Dr. Holger Magel
Magel ist Ordinarius für Geodäsie, GIS und Landmanagement an der TU München


Ausbildung
Abb kam als jüngerer von zwei Söhnen des Oberlehrers Eugen Abb und der Luise Abb, geb. Geiger, zur Welt. Sein Vater war Ende 1900 von Röllfeld nach Aschaffenburg gekommen und Leiter der Volksschule, der damals größten Schule der Stadt, die Mutter entstammte einer alteingesessenen Brauereibesitzer- und Gastwirtfamilie. Frühe Prägung erfuhr er auf musikalischem Gebiet durch seinen Vater, einem passionierten Orgel- und Klavierspieler. Nach vier Jahren Volksschule besuchte er ab 1926 das Humanistische Gymnasium in Aschaffenburg, an dem er im Herbst 1934 seine Reifeprüfung ablegte. Im Anschluss leistete er beim Reichsarbeitsdienst in Langenzenn seine sechsmonatige Arbeitspflicht ab und war als Obervormann im Bau von Entwässerungen eingesetzt. Für sein bevorstehendes universitäres Studium schwankte er zwischen einer Hinwendung zu Kunst und Gesang, wozu ihm sein Musikprofessor geraten hatte, und zur Technik, Architektur und Geodäsie. Schließlich entschied er sich für die Ingenieurswissenschaft und studierte zwischen 1935 und 1939 in München, wo bereits sein älterer Bruder Franz bei der Versicherungskammer angestellt war, an der Technischen Hochschule bei Martin Näbauer Vermessungswesen und Kulturtechnik. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrach seine berufliche Ausbildung. Vier Wochen nach der Diplomprüfung wurde er zum Kriegsdienst einberufen und diente fünfeinhalb Jahre lang bei der Luftwaffe im Rang eines Offiziers an der West- und an der Ostfront. Nach der Teilnahme am Feldzug gegen Frankreich verbrachte er sechs Monate an der Kriegsschule in Fürstenfeldbruck. Seine Einheit wurde dann in das polnische Generalgouvernement verlegt und war während des Feldzuges gegen Russland in Morosowskaja zur Versorgung Stalingrads stationiert. Fluguntauglichkeit bewahrte ihn vor Lufteinsätzen und man setzte ihn als Ingenieur in einer Pioniereinheit beim Bau von Flugplätzen ein. Als er an Gelbfieber erkrankte, kehrte er zur Behandlung im Lazarett heim. In den letzten Kriegsmonaten war er als Kompanieführer einer Ersatzeinheit in Fürth und Trier zugeteilt.
Erst nach Kriegsende konnte er 1945 sein Referendariat nachholen. Anfang 1948 legte er die Große Staatsprüfung für den höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst und für den höheren Flurbereinigungsdienst in Bayern ab und promovierte im Frühjahr 1956 bei Professor Max Kneißl zum Dr.-Ing.

Erste Berufsjahre
Seine ersten Berufsjahre verbrachte er ab 1948 als Assessor und Regierungsrat in der Bayerischen Flurbereinigungsdirektion in München und war als Vorsitzender von Flurbereinigungsgenossenschaften tätig. Drei Jahre führte er in den schwäbischen Landkreisen Mindelheim und Krumbach große Flurbereinigungsverfahren ohne Klagen der Betroffenen durch. Zum 1. Januar 1952 wurde er an das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten berufen und befasste sich dort als technischer Referent zunächst mit Fragen der Flurbereinigungstechnik, die den Ablauf der Flurbereinigungsverfahren beschleunigen und automatisieren sollten. In seiner Funktion war er maßgeblich an der rasanten Modernisierung der Behörde beteiligt. Als eine der ersten Verwaltungen führte sie ab Mitte der 1950er Jahre in großem Stil die elektronische Datenverarbeitung ein. Für den Wegebau in den neu geordneten Landschaften wurde ein Fuhrpark von Raupen und Baggern angeschafft. Etwa ab 1959 verlagerte sich sein Aufgabenfeld stärker auf Verfahrensfragen und Probleme in Verbindung mit der Reform der Bodenordnung und des Bodenrechts. Schließlich übernahm er im Frühjahr 1965 die Leitung der Bayerischen Flurbereinigungsverwaltung und wurde am 1. April 1971 zum Ministerialdirigenten ernannt.

Leiter der Bayerischen Flurbereinigungsverwaltung
An der Spitze der Verwaltung setzte er die Weichen für den weiteren Aufbau des Amtes und baute die Flurbereinigung zu einem wichtigen Instrument bayerischer Agrarpolitik aus. Er reorganisierte die Verwaltung in den Regierungsbezirken und die Zahl der Mitarbeiter stieg von 720 auf etwa 2500. Durch sein praxisnahes und im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr leistungsfähiges Wirken wurde „Flurbereinigung in Bayern“ zu einem Begriff, der weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung fand.
Von 1964 bis 1975 fungierte er als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für das technische Verfahren der Flurbereinigung im Bundesgebiet, in der bundesweit nach neuen Methoden in der Flurbereinigungstechnik gesucht wurde. Parallel dazu war er von 1965 bis 1978 Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen der Flurbereinigung. Auf seine Initiative hin wurden beide Gremien 1978 zur Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Flurbereinigung (ArgeFlurb) vereinigt. Als deren erster Vorsitzender galt sein Augenmerk der wissenschaftlichen Durchdringung der ländlichen Neuordnung und er förderte die enge Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen.

Schon zwischen 1953 und 1965 hatte Abb einen Lehrauftrag an der Staatsbauschule München, der späteren Fachhochschule, übernommen. Gemeinsam mit Professor Kneißl entwickelte er neue Lehrpläne, die die vermessungstechnische Ausbildung um die Felder der Kulturtechnik erweiterten. Als er 1970 als ordentliches Mitglied in die Deutsche Geodätische Kommission (DGK) in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften berufen wurde, nutzte er seine Kontakte, um eine den praktischen Anforderungen des Flurbereinigungswesens gerecht werdende universitäre Ausbildung aufzubauen. Wesentlich auf sein Betreiben hin wurde 1974 an der Technischen Universität München als bundesweit erster ein Lehrstuhl für Ländliche Neuordnung und Flurbereinigung errichtet. Später kam ein zweiter Lehrstuhl an der Hochschule der Bundeswehr in Neubiberg hinzu.
In der Folge verlagerte Abb die Weiterbildung der Führungskräfte seines Hauses von der Verwaltung an die Universität. Für die bereits in der Praxis stehenden Ingenieure initiierte und finanzierte er erste in Deutschland einzigartige viermonatige postgraduale Kontaktstudiengänge an der TU München.
Auf seine Anregung hin wurde 1979 innerhalb der DGK der Arbeitskreis „Ländliche Neuordnung“ gegründet und er mit dem Vorsitz betraut.

Ministerialdirektor
Nach dem Tod von Ministerialdirektor Dr. Wolfgang von Trotha beschloss der Bayerische Ministerrat am 23. Oktober 1979 Abb zum 1. November des gleichen Jahres als dessen Nachfolger zum Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu bestellen. Gleichzeitig wurde er zum Ministerialdirektor befördert. In dieser Funktion war er für alle Fachrichtungen des Ministeriums und den nachgeordneten Behörden mit seinen etwa 9000 Beamten verantwortlich. Nach Erreichen der Altersgrenze und einer von Staatsminister Hans Eisenmann erbetenen Verlängerung des Dienstverhältnisses schied er Ende Dezember 1981 aus dem bayerischen Staatsdienst aus.

Mitgliedschaften
Abb war Mitglied im Vorstandsrat des Deutschen Vereins für Vermessungswesen (DVW), im Bei- und Aufsichtsrat der Gesellschaft für Landeskultur, im Vier-Länder-Freundeskreis und Präsident der Deutschen Akademie Ländlicher Raum. Er war Herausgeber des Bayerischen Landwirtschaftlichen Jahrbuchs und ist Verfasser von weit über 80 wissenschaftlichen Aufsätzen.

Ehrungen
20. Oktober 1970: Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland
28. Juli 1980: Ehrendoktor der Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen der Technischen Universität München
„in Anerkennung seiner außergewöhnlichen Leistungen für die Fortentwicklung der ländlichen Neuordnung und seiner hervorragenden Verdienste um das Vermessungswesen in der Flurbereinigung“
18. Dezember 1980: Staatsmedaille in Gold des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
„in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die bayerische Landwirtschaft“
22. Januar 1986: Ehrenpräsident der Deutschen Akademie der Forschung und Planung im ländlichen Raum
„in Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste bei deren Aufbau“

Schriften
Die Beschleunigung des vermessungstechnischen Verfahrens der Flurbereinigung in Bayern - München, T. H., F. f. Bauw., Diss. v. 23. März 1956. -- Aus: Bayerisches Landwirtschaftliches Jahrbuch, 1956, Sonderheft 3
Drei Jahre ArgeFlurb, Eine Bilanz - München: Bayer. Staatsministerium f. Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten, 1981. -- Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Flurbereinigung 7 (mit Holger Magel)

Weiterführende Literatur und Quellen
Günther Strößner: Dr.-Ing. Wilhelm Abb – Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. in: Zeitschrift für Vermessungswesen, Nr. 12/79, S. 601
Richard Hoisl: Laudatio. in: Dr.-Ing. E. h. für Ministerialdirektor Dr.-Ing. Wilhelm Abb – Berichte aus der Flurbereinigung, Nr. 34/1980, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Abteilung Ländliche Neuordnung durch Flurbereinigung
Holger Magel: Laudatio anlässlich des 90. Geburtstags von Ministerialdirektor Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Wilhelm Abb. In: Mitteilungen DVW-Bayern e. V. Heft 4/2005, 57. Jg., S. 570–578.
Bundesarchiv B 122/38488
Persönliches Gespräch mit Wilhelm Abb vom 1. Juli 2009
Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Wilhelm Abb
Geodät, Ministerialdirektor im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Verdienstorden: 25. Juni 1981
Matrikel-Nr.: 3083
Vorgeschlagen durch:
Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

* 22. August 1915 in Aschaffenburg
† 18. Dezember 2010

Vater: Eugen Abb (1870–1957)
Mutter: Luise Abb, geb. Geiger (1885–1973)
Verheiratet:
1942: Charlotte Heckenstaller († 1976)
1979: Oswalda
Kinder: Margit, Ferdinand

GND: 1012441393

Weiterführende Links:
Bay. Staatsministerium f. Ernährung, Landwirtschaft und Forsten